Essstörungen im Zusammenhang mit Neurodivergenz
- Klemmfestung

- vor 4 Stunden
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Hallo zusammen,
heute möchte ich ein Thema ansprechen das mich regelmäßig daheim auf die Palme bringt.
ESSEN – wenn ich nur dran denke, könnt ich schon ganz laut schreien!
Ich würde von uns behaupten, dass wir uns insgesamt gesund, vielfältig und ausgewogen ernähren. Zumindest mein Mann und ich.
Meine zwei Söhne hingegen, sind auf unterschiedliche Weise sehr wählerische Esser.
Bei meinem ADHSler (11) kommen wir oft mit Belohnung oder auch mal mit Konsequenz weiter. Inzwischen würde ich sagen, haben wir hier einen guten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Er probiert öfter mal was und isst auch deutlich mehr Lebensmittel wie noch vor einem Jahr.
Mein Sohn jüngerer Sohn (10) der sich im Autismus Spektrum, gepaart mit ADHS und Verdacht auf PDA befindet, lässt aber so überhaupt nicht mit sich reden oder verhandeln. Mit irgendwelchen Belohnungen oder konsequenten Ansagen, Strafen brauche ich hier erst gar nicht kommen. Er ernährt sich am liebsten von 5 Gerichten. Leider gehörte zu diesen Malzeiten weder Obst, noch Gemüse und auch auf keinen Fall was frisch Gekochtes. Er bevorzugt Fertigprodukte. Wir reden hier von Fischstäbchen mit Süßsauersoße, Spaghetti mit Fertigsoße und Parmesan, Pfannkuchen mit Schokocreme (an guten Tagen kommt eine Banane dazu), Bauernbrot ohne Rinde mit Schokocreme und Fertigpizza.
Ganz wichtig hier, es muss immer von der gleichen Herstellerfirma sein. Er merkt sofort, wenn ich ein alternatives Produkt gekauft habe.
Ihr seht, alles sehr Nährstoff arm und unendlich viel Zucker!
Dabei ist er ein recht schlaues Kind. Aber beim Thema „Essen“ setzt bei Ihn alles aus.
Unser Kinderarzt, sagt mir das es normal ist, ich soll einfach mal abwarten. Kinder holen sich das, was sie brauchen...
Auch ein halbes Jahr später, war die Antwort nicht anders. Dennoch habe ich nun drauf bestanden das im Januar ein großes Blutbild gemacht wird. Hier haben wir wieso die Blutabnahme wegen der Medikamente. Ich möchte einfach wisse, ob mein Sohn einen Nährstoff-, Vitamin- oder Mineralstoffmangel aufweist. Er hat seit Wochen immer wieder Bauchschmerzen und Durchfall. Zudem ist er sehr blass, müde und energielos. Ich bin mir sicher, dass es auch was mit der Ernährung zu tun hat. Ich finde es sehr schade das man nicht ernstgenommen wird. Wenn das Kind aber dann Übergewichtig ist, zeigen alles auf einen mit erhobenem Finger. Und nicht zu vergessen die schlauen Sprüche. Ihr müsst halt mal konsequenter sein, dann darfst Du halt nix Süßes im Haus haben, der isst schon, wenn er Hunger hat…
Zuerst einmal möchte ich verstehen warum mein Sohn so isst wie er isst. Ich habe schon öfters mal gelesen, dass es im Zusammenhang mit Autismus oder auch ADHS zu Essstörungen kommen kann. Deshalb habe erstmal gesucht was es da so alles gibt. Ich selbst kannte bis dahin nur Magersucht und Bulimie.
Zunächst einmal eine kurze Übersicht, der Essstörungen.
Anorexia nervosa, hier wird die Nahrungsaufnahme auf ein Minimum reduziert oder komplett verweigert, weil der Betroffene sich trotz Untergewicht zu Dick fühlt. Oft geht dies, schleichend in eine Bulimie über. Hier bei kommt es zu heftigen, unkontrollierten Fressattacken, die dann durch erbrechen wird kompensiert werden sollen. Bei beiden Formen kommt es zu Untergewicht und einer Mangelernährung.
Bei Bing Eating, verschlingen die Betroffenen, immer wieder in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen Unmengen an Lebensmitteln, ähnlich wie bei der Bulimie. Der Unterschied besteht darin, dass betroffene die Nahrung nicht erbrechen und eher an Übergewicht leiden. Hier werden oft emotionale Dinge ausgeglichen. Nach so einer Fressattacke, fühlen sich die Betroffenen meist sehr schlecht, empfinden Scham und Ekel für sich selbst.
Essstörung kann auch als Begleiterkrankung wie z.B. bei Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen oder Neurodivergenz auftreten.
Bei ARFID kann man von einer Begleiterkrankung sprechen. Die Art von Essstörung wird vor allem bei Personen die die sich im Autismus- oder ADHS- Spektrum bewegen, festgestellt.
Der Fokus liegt auf der Sensorik, Essen kann sich unangenehm anfühlen, Geschmack entspricht nicht den Vorlieben oder Vorstellungen, schlechte Erfahrung wie Erbrechen nach dem Essen oder Durchfall können vom Essen abhalten. Ebenso kann ein komplettes Desinteresse am Essen bestehen.
Im Zusammenhang mit ARFID bin ich noch auf den Picki Eater gestoßen. Hier werden bestimmte Lebensmittel, Texturen, Farben oder Gerüche abgelehnt. Personen vor allem Kinder bevorzugen nur sehr wenige und für sie Sicher Lebensmittel. Auch diese Art kann eine Begleiterkrankung von Autismus, ADHS sein. Aber auch ein zu kurzes Zungenband, Stress, Entwicklung, Schutzfunktion oder eben die oben genannten sensorischen Empfindlichkeiten.
Bei der Essstörung die in Zusammenhang mit PDA häufig auftritt, geht es um ein Verweigerungsverhalten. Meist ist es so, dass die Nahrungsmittelaufnahme eine Anforderung darstellt und deshalb nicht ausreichend ausgeführt werden kann. Hier bei werden oft sogenannte Safe Foods bevorzugt. Dies reduziert den Stressfaktor bei Betroffenen und er weiß ganz genau was Ihn bei den jeweiligen Nahrungsmitteln erwartet. Auch hier spielen wie bei ARFID, der Geschmack, die Konsistenz, Wärme oder Kälte eine große Rolle.
Jede Essstörung hat ihre eigenen Tücken und muss individuell betrachtet und behandelt werden.
Was aber für alle gilt, ist Verständnis und keine Vorwürfe. Kein Druck und Mengenvorgaben.
Von Fachärzten wird ein Esstagebuch empfohlen. Hier soll über mindestens 3 Wochen jeden Tag aufgeschrieben werden was gegessen und auch getrunken wird. Damit soll man dann als erste Anlaufstation zum Kinderarzt gehen oder wer schon in einem SPZ oder bei einem KJP in Behandlung ist, kann man sich auch gerne an diese wenden.
Durch meine Recherchen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass mein Sohn zum einen ein Picki Eater ist und Essen für Ihn eine klare Anforderung ist, die er oft einfach nicht erfüllen kann. Deshalb werde ich mein Wissen hierhin noch vertiefen und schauen was wir im Alltag positiv anpassen können. Das empfohlene Tagebuch werde ich schreiben und beim nächsten Gespräch mit dem KJP vorlegen und mal hören was er dazu sagt.
Für mich selbst nehme ich mit, dass man sich sehr schnell in einem Teufelskreis befindet. Dieser Kreis baut Druck auf und hierauf reagieren unserer Kinder empfindlich. Also sehe ich es als erste Aufgabe, diesen Kreis zu durchbrechen.
Für mich war nun die erste Maßnahme, er darf Essen was er will, ich kümmere mich um eine Blutabnahme und versuche in sehr kleinen Schritten wieder mehr Lebensmittel zu etablieren.
Hierzu gehört auch die Reizumgebung anzupassen, es sollte ruhig, möglichst geruchsarm sein. Wenn er alleine in seinem Zimmer essen möchte dann darf er das. Auch hier werden wir erst wieder gegenwirken, wenn sein Nervensystem sicher ist. Zwei anderer Punkt sind Vorhersehbarkeit und Wahlmöglichkeiten. Kinder müssen das Gefühl haben teilzuhaben und in einer gewissen Weise selbst entscheiden zu können.
Ich hoffe mein erster Beitrag hat Euch gefallen.
Liebe Grüße und bis bald!
Neustart PDA von Rike Brand (hier gibt es ein tolles Kapitel zum Thema Essen)
Online Buch Arfid von Dr. Martin Winkler ( der kennt sich hier sehr gut aus, hatte ich ein Online Seminar) https://myablefy.com/s/martinwinkler
Mein einzigartiges Pandakind von Mark Leonard und Vorwort von Saskia Niechzial
Ein Kopf voll Gold von Saskia Niechzial oder auch ihren Podcast Ein Kopf voll Gold #
Podcast: Raising Good Humans ARFID, Anorexia, Bulimia & Bing Eating: What Parents need to know with Dr. Erin Parks (auf Englisch aber sehr gut)



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